Start des Projektes mit dem klangvollen Namen „Langfristige Sicherung der Geschiebezugabe in Iffezheim“, kurz LSG genannt, war bereits im März 2014. Die Tractebel Hydroprojekt GmbH wurde vom damaligen Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Freiburg mit der Planung einer fördertechnischen Anlage beauftragt, die in der Lage sein sollte, ca. 8.600 Tonnen Kies pro Tag von einer Lagerfläche auf deutschem Gebiet über den Restrhein zu einem in ca. 1 km befindlichen Liegeplatz auf französischem Gebiet zu transportieren.
Dort sollte der Kies mittels geeigneter Verladetechnik auf Schiffe verladen werden können, die anschließend auf dem Rheinseitenkanal (Grand Canal D´Alsace) bergab bis Iffezheim fahren. Gesamtziel des Projektes ist es, Kies aus dem neu entstehenden Hochwasserrückhalteraum Weil-Breisach zu übernehmen, 140 km per Schiff zu einem See in der Nähe der Staustufe Iffezheim zu transportieren und dort subaquatisch in einem See langzeitlich einzulagern. Dieser Kies soll zukünftig der Geschiebezugabe zur Verfügung stehen. Die Geschiebezugabe soll der Erosion der Rheinsohle entgegenwirken, um das damit verbundene Absinken des Wasserspiegels im Bereich unterhalb der Staustufe Iffezheim zu verhindern bzw. einzudämmen.
Die ständige Geschiebezugabe resultiert aus einer staatsvertraglichen Verpflichtung Deutschlands gegenüber Frankreich. Hierzu sind seitens der Bundesrepublik geeignete Maßnahmen zu treffen. Da der Kies als Geschiebezugabe in der unmittelbaren Nähe um Iffezheim herum mittlerweile knapp wird, muss nun auf diese Art die benötigte Menge herbeigeschafft werden. Der Rückhalteraum, aus dem der Kies für die Realisierung des Projektes LSG stammt, ist Bestandteil des Integrierten Rheinprogrammes (IRP) des Landes Baden-Württemberg. Das dort ohnehin anfallende Kiesmaterial wird vom Land Baden-Württemberg (vertreten durch das Regierungspräsidium Freiburg) abgebaut, verladen und auf die Lagerfläche transportiert. Als Planungsgrundlage wird von ca. 10 Mio. Tonnen Kies in einem Zeitraum von sieben Jahren ausgegangen.
Wir wurden vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Oberrhein mit der Erarbeitung der Leistungsphasen 3 bis 5 nach HOAI, basierend auf einer Vorplanung der Ingenieurgemeinschaft Fichtner-KED, beauftragt. Es stellte sich jedoch schnell heraus, dass diese Vorplanung an vielen Stellen nicht umgesetzt werden konnte, so dass wir im Nachgang noch in Teilen mit der Wiederholung der Leistungsphase 2 sowie mit mehreren Machbarkeitsstudien beauftragt wurden. Zu Beginn der Planung standen wir vor zahlreichen Herausforderungen. Zunächst musste sichergestellt werden, dass täglich über 230 LKW-Ladungen Kies auf dem Lagerplatz entladen werden können. Bei einer vorgegebenen täglichen Arbeitszeit von acht Stunden bedeutet das, dass theoretisch alle zwei Minuten ein LKW mit 37 Tonnen Kies den Lagerplatz erreicht. Um diese logistische Aufgabe zu lösen, kamen nur mehrere vollautomatisch arbeitende LKW-Entladestationen in Frage. Da als Planungsrandbedingung vorgegeben wurde, dass die Schiffbeladung durch einen Anlieferungsausfall der LKW´s von bis zu zwei Tagen nicht behindert werden darf, musste eine Lösung gefunden werden, wie der Kies zunächst auf einer Halde zwischengelagert werden kann. Diese Halde muss in der Lage sein, knapp 18.000 Tonnen zu lagern und nach Bedarf kontinuierlich abzugeben. In einer umfangreichen Vorplanung wurden verschiedene Verladetechnologien erarbeitet und gegenübergestellt. Die Wahl fiel am Ende ebenfalls auf eine vollautomatisch arbeitende Anlage, bestehend aus einem Haldenband und einem im Fuße der Halde befindlichen Abzugstunnel mit Dosierbändern. Diese „Pufferhalde“ beansprucht eine Fläche von 7.500 m² und hat eine Höhe von 15 m. Der Kies wird über einen Haldengurtförderer auf diese Höhe transportiert und dort über einen sogenannten Bandschleifenwagen, der längs der Halde verfahrbar ist, über der Halde abgeworfen. In der Decke des Abzugstunnels befinden sich acht Abzugstrichter, die den Kies nach einem ausgeklügelten System bedarfsgerecht von der Halde auf einen zweiten Gurtbandförderer aufgeben. Von dort aus erfolgt der Weitertransport über mehrere Zwischenstationen, über den Restrhein und die Rheininsel, auf die französische Seite Richtung Schiffsbelader.
Der Schiffsbelader mit einem Gesamtgewicht von 540 Tonnen und einer Höhe von knapp 30 m war eine weitere große Herausforderung. Er muss zum einen in der Lage sein, die längliche Form eines Transportschiffes durch eine gleichzeitige Schwenk- und Translationsbewegung seines Verladeauslegers von dem vorgegebenen festen Standort aus vollständig zu erreichen, was zur Folge hat, dass der Verladeausleger während der Beladungsphase teleskopiert werden muss. Zum anderen ist es notwendig, den Kies möglichst staub- und geräuscharm, aber vor allem auch gezielt, abzuwerfen. Die Fallhöhe beträgt aufgrund der großen Ausladung immerhin 18 Meter. Und last but not least muss die Beladung noch in einem äußerst knapp bemessenen Zeitfenster von gerade mal 90 Minuten pro Schiffseinheit stattfinden, da die Liegezeiten der Schiffe einem fragilen Schiffsumlaufplan folgen müssen, damit die gesamte Transportlogistik nicht zum Erliegen kommt.
Alle Probleme, die gelöst werden mussten, lassen sich an dieser Stelle nicht aufzählen. Am Ende der Planung ist aber eine hochgradig vollautomatisch arbeitende Verladeanlage entstanden, die mit gerade mal zwei Personen betrieben werden dann. Die Anlage ist aus Sicht der Prozesssicherheit, der Umweltbelastung sowie der Arbeitssicherheit optimal ausgelegt. Die Baukosten belaufen sich auf insgesamt 23,8 Millionen Euro. Zurzeit befinden sich die Planungsunterlagen bei den deutschen und französischen Genehmigungsbehörden. Gravierende Einwände werden von uns nicht erwartet, da die Behörden im Vorfeld und während des gesamten Planungsprozesses kontinuierlich beteiligt worden sind. Wann die Anlage zur Ausschreibung kommt ist jedoch noch offen.
Torsten Fraaß – Magdeburg